Meine Lebenspartnerin habe ich 2014 kennengelernt – ich war 53, sie sechs Jahre jünger. Wir haben uns schnell ineinander verliebt und bald entschieden, zusammenzuziehen. Acht Jahre später, im Sommer 2022, erhielt sie die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose (ALS*). Da bereits ihre Mutter und ihr Onkel an dieser Krankheit gestorben waren, wusste sie genau, was das bedeutet.
Ihre Form von ALS war besonders schnell fortschreitend. Sie entschied sich bewusst gegen eine invasive Beatmung. Im Mai 2024 wurde eine 24-Stunden-Intensivpflege zu Hause notwendig – der Pflegeaufwand war für uns Angehörige und die Caritas allein nicht mehr zu bewältigen. Eine Unterbringung im Heim lehnte sie entschieden ab.
Ende des Sommers wandte ich mich auf ihren Wunsch hin an das Palliativteam Ingolstadt. Was wir nicht wussten: Der leitende Palliativmediziner wohnte nur ein paar Häuser weiter. Er kam wenig später gemeinsam mit einer Kollegin zu uns. Sie erklärten, was palliativmedizinisch möglich ist – und meine Partnerin erzählte, trotz stark eingeschränkter Sprache, was ihr für ihr Lebensende wichtig war. Ihre größte Angst war, zu ersticken.
Der Arzt versprach ihr damals: „Es ist bei uns noch kein ALS-Patient erstickt.“ Diese Zusage hat sie tief berührt und ihr geholfen, die letzten Monate mit weniger Angst durchzustehen.
Am 25. Oktober hatte sie tagsüber große Mühe mit der Atmung, der Hustenassistent half kaum noch. Am Abend verständigte die Pflegekraft das Palliativteam. Die Palliativpflegekraft kam sofort, besprach sich mit der betreuenden Pflegekraft und dem diensthabenden Arzt, und legte nach Rücksprache einen Zugang mit einer Morphinpumpe. Als diese zu wirken begann, wurde die Atmung ruhiger. Barbara konnte schlafen. Die Palliativpflegekraft und die betreuende Pflegekraft sagten mir, dass sie wohl in den nächsten Stunden sterben werde.
Ich konnte noch ihre Kinder benachrichtigen – sie kamen rechtzeitig. Kurz nach Mitternacht, am 26. Oktober, ist Barbara friedlich gestorben. Ich durfte ihre Hand halten. Kein Aufbäumen, kein Leiden – einfach ein leiser Abschied. So würdevoll war das.
Als ich später auf Instagram schrieb, dass die Unterstützung des Palliativteams auch etwas mit uns Hinterbliebenen gemacht hat, meinte ich genau das: ein gehaltenes Versprechen.
Ich habe mich später schriftlich beim Palliativteam bedankt. Der Arzt schrieb mir zurück und erwähnte, dass es selten geworden sei, ein Danke zu bekommen – viele Angehörige seien heute fordernder, angespannter. Das hat mich nachdenklich gemacht. Umso wichtiger scheint es mir, diese Arbeit sichtbar zu machen und wertzuschätzen.
Ich habe dann noch eine Spende gegeben – das Team brauchte damals einen neuen PKW für die Hausbesuche. Es war mir ein Bedürfnis.
#dasistpalliativ bedeutet: da sein, versprechen halten, Angst nehmen.
Für die Sterbenden – und für die, die bleiben.
August 2025
*Die Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, ist eine neurodegenerative Erkrankung, die eine ganz bestimmte Gruppe von Nervenzellen betrifft: die motorischen Nervenzellen, auch Motoneuronen genannt. Sie befinden sich in Gehirn und Rückenmark und sind für die Steuerung der Muskeln zuständig. Die Motoneuronen werden durch die Krankheit zerstört. Die Folge sind fortschreitende Muskellähmungen. Patientinnen und Patienten können auf einen Rollstuhl angewiesen sein, im späteren Verlauf der Erkrankung haben sie aber auch Schwierigkeiten zu sprechen und zu schlucken. Im finalen Stadium kommt es auch zu Lähmungen der Atemmuskulatur. (Quelle: www.dzne.de)